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“Seriöse Medien geben Fehler zu”

Aachen | Was ist wahr, was ist falsch? Zahlreiche Fake News finden sich im Internet und bei Social Media. Sie zu erkennen, ist schwierig. Amien Idries, stellvertretender Chefredakteur des Medienhauses Aachen, kommt ihnen im Interview mit unserer Projektredakteurin Rauke Xenia Bornefeld auf die Spur.

Smudo hat auf Instagram die Auflösung der Fantastischen 4 verkündet. Es war ein Einsatz für eine verlorene Wette. Fake News oder Spaß?

Amien Idries: Vielleicht beides. Es gibt ja viele spaßige Fake News. Der Postillon, eine Satire-Seite, produziert jeden Tag jede Menge satirische Fake News, die Spaß machen, aber auch eine politische Aussage beinhalten. Damit kann man gut seinen Muskel für Spaß, Satire und Fake-News trainieren, mit dem man herausfinden kann: Ist das Gelesene einfach nur lustig, steckt eine andere Intention dahinter oder sogar eine böse Absicht?

Wann werden Fake News denn gefährlich?

Idries: Wenn sie produziert werden, um eine politische Agenda zu verfolgen. Zum Beispiel als 2015 – auf dem Höhepunkt der so genannten Flüchtlingskrise – falsche Meldungen in die Welt gesetzt wurden, um die menschenfreundliche Haltung der Bundesregierung und des Großteils der Bevölkerung gegenüber den Ankommenden in ein schlechtes Licht zu setzen und ins Gegenteil umzukehren. Aktuell sieht man es in der Corona-Krise, in der Corona-Verharmloser durch Fake News den Kampf gegen die Pandemie beschädigen. Zum Beispiel durch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem neuen Mobilfunk-Standard 5G und der Verbreitung von Covid-19. Es verbindet die Ablehnung einer neuen Technologie mit der Ablehnung staatlicher Maßnahmen gegen die Pandemie, obwohl dieser Zusammenhang nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gegeben ist. Ich möchte betonen: Kritik an staatlichen Maßnahmen zu üben, ist nicht falsch. Auch im Moment nicht. Das tun wir als Medien jeden Tag. Es ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Diese Fake News erzeugen aber den Eindruck, dass die Bundesregierung wesentlichen Erkenntnissen zuwider handelt, also mit böser Absicht agieren muss.

Professionelle Einflussnahme durch Fake News ist manchmal kaum von Profis zu enttarnen. Wie können sich Kinder und Jugendliche bei der Informationssuche sicher im Netz bewegen?

Idries: Es gibt ganz gute Hilfestellungen, zum Beispiel die Frage: Von wem kommt die Nachricht? Ist sie auf einer etablierten Nachrichtenseite zu finden? Oder kommt sie von jemandem, der auch sonst krude Ideen hat? Auch sollten sich Kinder und Jugendliche nicht scheuen, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen. Kann das überhaupt sein? Findet man die Nachricht nicht nur bei einer unbekannten Seite, sondern bei anderen etablierten Nachrichtenseiten, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie stimmt. Das nennen wir Zwei-Quellen-Prinzip – es ist ein wichtiges Grundprinzip von gutem Journalismus. Es gibt aber auch Seiten, die Fake News aufdecken, zum Beispiel mimikama.at. Auch dort lohnt sich ein Besuch. Aber Jugendliche sind durch ihr selbstverständliches Bewegen im Internet und bei Social Media bereits ganz gut geschult. Untersuchungen belegen, dass die Leichtgläubigen im Netz eher aus Generation 50+ kommt.

Amien Idries, stellvertretender Chefredakteur des Medienhauses Aachen, beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Fake News. Er sieht Jugendliche bereits gut geschult.
Foto: Medienhaus

Wie unterscheidet sich eine seriöse von einer nicht-seriösen Quelle?

Idries: Grundsätzlich ist jeder, der etwas postet, eine Quelle. Jugendliche wissen meistens ganz gut, ob derjenige immer nur Nonsens teilt oder nicht. Bei Text- und Video-Quellen haben wir zumindest auf deutschen Internetseiten die Impressumspflicht. Dort findet man einen Namen, den man wiederum googeln kann. Ist der- oder diejenige bereits häufiger mit Fake News aufgefallen, wird man das finden. Für mich ist ein wichtiges Kriterium, mit dem man ein seriöses von einem unseriösen Medium unterscheiden kann, der Umgang mit Fehlern. Seriöse Medien geben Fehler zu, denn die können bei aller Mühe und Sorgfaltspflicht trotzdem passieren.

Fakten und Meinungen werden im Internet stark vermischt. Rezo ist nur ein Beispiel. Wie sollen Kinder und Jugendliche damit umgehen?

Idries: Die Trennung von Fakten und Meinungen im Journalismus ist wahrscheinlich old school und wird im Zeitalter von Social Media immer stärker abnehmen. Hinter Meinungsstücken, wie Rezo sie macht, kann dennoch gute journalistische Recherche stecken. Unterscheiden kann man Fakten und Meinung durch Medienkompetenz. Schaut kritisch auf alle Texte! Was wird versucht, mit Euch zu machen? Und wenn sich das nicht gut anfühlt, sprecht mit Freunden, Lehrern, Eltern darüber. Im Internet findet man wenig, hinter dem keine Intention steckt. Jeder Sender hat ein – durchaus berechtigtes – Interesse. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob ein Betrieb über seine Ausbildungsmöglichkeiten informiert, die Industrie- und Handelskammer als wirtschaftliche Interessenvertretung oder eine Zeitung, die diesen Betrieb besucht hat. Hat man das im Hinterkopf, kann man sich gut im Netz bewegen.